„Willkommen im Carphone Warehouse, wie kann ich Ihnen helfen?“

Man kann sich kaum vorstellen, wie der 29 Jahre alte Schotte Niall Farrell jemals diese Worte sagen konnte, aber er tat es. Lange bevor er die Welt bereist hat, um beim Pokern Millionen zu gewinnen, war er nur ein junger Mann, der sich während seiner College-Zeit ein wenig Geld dazuverdienen wollte.

Niall Farrell, der noch zwei Schwestern, einen Bruder sowie sechs Nichten und Neffen hat, konnte das College abschließen und hat vor sechs Jahren dann sogar noch einen Abschluss in Jura an der University of Stirling gemacht.

Aber das war alles nur Fassade – oder um seine Mutter zu beruhigen –, denn er wollte diesen Abschluss nie zu seinem Beruf machen. Denn schon während seines Studiums hat er das Spiel kennengelernt, das sein Leben verändern würde.

„Nachdem ich vor Jahren Poker After Dark im britischen Fernsehen gesehen hatte, begann ich mich für Poker zu interessieren“, erklärt Farrell. „Ich spielte an der Uni gelegentlich mit ein paar Freunden und dann fing ich an, ein bisschen online zu spielen, und nach und nach stieg mein Interesse. Das führte dazu, dass ich in meinem letzten Jahr am College meinen Nebenjob als Verkäufer für Mobiltelefone aufgegeben habe, um ‚ein Poker-Profi‘ zu werden – obwohl ich ein miserabler Spieler war. Aber irgendwie hat es geklappt.“

Online die Hörner abstoßen

Obwohl er weder einen Job noch Geld hatte, nutzte Niall Farrell eine Kreditkarte, um $ 1.000 bei einer Website für Online Poker einzuzahlen. Er gewann im ersten Monat $ 500 – genug, um allen zu erzählen, er wäre jetzt Poker-Profi.

„Ich begann etwa 2009 als fast reiner Onlinespieler und hatte auf allen Websites ziemlich viel Erfolg. Dadurch konnte ich mich wiederum für die größeren Buy-Ins in den Live-Arenen ‚qualifizieren‘“, sagt Farrell. „Meine ersten Erinnerungen an Online poker sind zahllose $-5-Spiele im Zeitraum 2008/2009.“

Die Online poker-Website PocketFives.com gibt für Niall Farrell, der online als „firaldo87“ bekannt ist, mehr als $ 2,7 Mio. als Gewinne bei Onlineturnieren an. Dazu gehört auch das höchste Ergebnis seiner Karriere von $ 232.232,74 als Preis für den Sieg über ein Feld von 1.633 Spielern beim 2014 FTOPS Main Event.

Gleichzeitig stehen auf 888 Poker, wo er unter dem Namen „Wug_Brain“ spielt, $ 64.371 als gewonnene Preisgelder zu Buche – mit einem Höchstbetrag von $ 17.494 für den dritten Platz am 15. September 2015 bei $100,000 Volcano – Special Edition.

Das Wagnis Live-Poker

Farrells erstes dokumentiertes Bargeldspiel war 2010, als er die Veranstaltung Turbo II bei der UKIPT Season 1 Edinburgh gewann. Die meisten Spieler erinnern sich an ihren ersten Turniergewinn, nur nicht Farrell, der lediglich $ 820 als Gewinn mit nach Hause nahm.

„Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr richtig an dieses Turnier erinnern“, gibt er zu. „Wenn es aber 2010 war, hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon einen ordentlichen Betrag an Onlinegewinnen. Ich gehe deswegen davon aus, dass ich nur zum Spaß mit einigen Freunden bei ein paar Bier gespielt haben werde.“

Seitdem wurde Farrell ein bekanntes Gesicht im Pokerkarussell – und auch das stimmt: Er wird immer noch mit seinen Freunden beim Bier gesehen. Dazu gehören andere britische Spieler wie Ludovic Geilich, Jake Cody und Craig McCorkell, die alle selbst erfolgreiche Pokerspieler sind.

Den ersten sechsstelligen Betrag – von denen er mittlerweile ein halbes Dutzend hat – gewann Farrell bei der 2013 World Series of Poker (WSOP), als er hinter Sandeep Pulusani bei Event #44: $3,000 No-Limit Hold’em $ 366.815 gewinnen konnte. Den zweiten Platz in einem Feld von 1.072 Spielern zu gewinnen, ist eine großartige Leistung, aber jeder Pokerspieler wird Ihnen sagen, dass es auch einen bitteren Beigeschmack hat, wenn man so knapp den prestigeträchtigsten Preis im Poker – ein Bracelet – verpasst (das ist wie der Gewinn eines Super Bowl-Rings für Football-Spieler).

Es dauerte dann noch weitere zwei Jahre, bis Farrell einen noch größeren Zahltag hatte. Er setzte sich gegen ein Feld von 651 Spielern beim EPT12 Malta Main Event durch und gewann $ 588.592. Der Gewinn war auch der größte seiner Karriere und bedeutete für Niall Farrell den Einstieg in die Liga der Großen. Seitdem hat er praktisch nur noch gewonnen.

Im April 2016 wurde er Zweiter beim FPS Grand Final Main Event um $ 144.302 und im letzten Sommer war er dreimal an den Finaltischen bei der WSOP. Zunächst wurde er Sechster bei Event #25: $2,500 No-Limit Hold’em mit einem Preisgeld von $ 75.164 und zwei Wochen später Zweiter hinter Safiya Umerova bei Event #50: $1,500 No-Limit Hold’em Shootout mit $ 163.158. Dazu kommt ein achter Platz eine Woche später bei $111,111 One Drop High Roller mit $ 486.383 – insgesamt also ganz erfolgreiche zwei Monate.

„Ich habe zwei zweite Plätze bei WSOP-Veranstaltungen vorzuweisen, aber zweimal so knapp dran gewesen zu sein, ist schon ein bisschen frustrierend“, sagt Farrell. „Die WSOP 2016 war insgesamt aber ziemlich toll mit drei Finaltischen und dem $ 111.000 One Drop, den ich zum ersten Mal gespielt habe. Ich kann mich also eigentlich nicht beschweren. Außerdem gibt es ja auch immer ein nächstes Jahr.“

Erstaunlicherweise musste Farrell dann nicht bis zum nächsten Jahr warten. Im November siegte er in einem Feld von 323 Spielern im World Poker Tour Caribbean $4,560 Main Event um $ 335.000, womit sein Name nun auch endlich auf dem prestigeträchtigen Champions’ Cup der WPT steht.

„Die beiden zweiten Plätze bei der WSOP sind jetzt, nachdem ich eine WPT- und eine EPT-Veranstaltung gewonnen habe, noch frustrierender“, gibt Farrell zu. „Es wäre schön, eine Triple Crown zu haben!“

Wer das nicht wissen sollte: Die Triple Crown of Poker steht für den Gewinn eines Pokertitels in den drei wichtigsten Pokertourneen (WSOP, EPT und WPT). Bisher haben das nur fünf Spieler geschafft: Gavin Griffin, Roland De Wolfe, Jake Cody, Bertrand Grospellier und Davidi Kitai.

Ein aufstrebender Stern

Neben den Millionen, die Farrell online gewonnen hat, gewann er bei Live-Spielen noch einmal mehr als $ 3,3 Mio. Auf welchen Erfolg beim Poker ist er wohl besonders stolz?

„Da fallen mir vor allem zwei ein“, sagt er. „Wahrscheinlich würde jeder davon ausgehen, dass ich die EPT Malta nenne, und vermutlich ist das auch die Nummer eins, aber für mich war auch der Gewinn des FTOPS Main Event 2014 mit einem Preisgeld von $ 236.000 wichtig. Es war mein erster richtig bedeutender Onlinesieg – und mein größter bis heute.“

Wenn er zu Hause ist, kann Farrell rund um die Uhr online Spiele finden. Das ist besonders deshalb gut, weil er für dieselbe Action beim Live-Poker meist Schottland verlassen muss.


„Die schottische Pokerszene ist nicht sehr groß“, gibt Farrell zu. „Die größten Turniere bei uns haben meist Buy-Ins um die € 1.000. Es gibt aber einige gute schottische Spieler auf der Tour. Man muss meistens nach England reisen, um in Großbritannien in Turnieren mit höheren Einsätzen zu spielen. Ich fahre jedes Jahr gerne nach Las Vegas zur WSOP, aber der eigentliche Spielort ist ein bisschen heruntergekommen. Monaco ist immer eine tolle Station, wenn auch ein bisschen teuer, deshalb sage ich mal, dass das mein liebster Spielort ist.“

Betrachtet man Schottland allein, so steht Niall Farrell zurzeit an zweiter Stelle der ewigen Gewinntabelle hinter David Vamplew, der mit einer halben Million Dollar bei $ 3,8 Mio. an Karriereeinnahmen führt. Das ist etwas, das Niall Farrell in Zukunft gerne noch ändern möchte.

„Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich ihn nicht gerne einholen würde. David ist ein großartiger Spieler – es wird also schwierig. Ich hoffe, ich erreiche irgendwann $ 15 Mio. und er hat dann $ 14 Mio.“

Was steht bei Farrell als Nächstes an?

„Ich möchte gerne einmal nach Japan oder Südkorea, das hat sich bisher noch nicht ergeben“, gibt er an. „Im Januar 2016 war ich zum ersten Mal in Australien. Es hat mir unglaublich gefallen, deshalb freue ich mich darauf, im neuen Jahr noch viele weitere neue Orte kennenzulernen.“

Ein weiterer Ort, wo er in naher Zukunft ist, ist das King Rozvadov. Vom 26. Januar bis zum 6. Februar ist Europas größter Pokersaal Austragungsort des 888Live Kings Festival, bei dem es mehr als € 600.000 an garantierten Preispools gibt.